Ein persönliches Resümee

Lesedauer ca. 7 Minuten

Ein Schulprojekt mit der Dauer von fünf Tage, in denen die gesamte Stadt zu einer Schulstadt mit Politik, Verwaltung, städtischen Betrieben und freier Wirtschaft wird, ist sehr intensiv und der helle Wahnsinn (das Projekt ist hier genauer beschrieben). Dieser Blogbeitrag ist ein Tagebuch für die Schulstadt in 2019 in Stichworten, welches mit einer persönlichen Einschätzung meinerseits endet.

Das offizielle Logo der Schulstadt 2019

1 Tag

Die gesamte Schulgemeinschaft startete sehr motiviert in die Schulstadt. Bei bestem Sommerwetter holten sich um 8.05 Uhr über 200 SchülerInnen eine Arbeitsstelle in der Arbeitsagentur ab und gingen zur Arbeit. Am ersten Tag wurden auch viele Fortbildungsangebote angeboten, musste man doch um sich selbstständig zu machen zwei Fortbildungsstunden besucht haben. Hier hat unter Anderem die Kilian-von-Steiner-Berufsschule mit VR-Brillen von „dein erster Tag“ oder das BBQ mit ozobots sehr attraktive Fortbildungen angeboten. Es gab ein Fußball-Camp mit Jo vom SSV Ulm 1846 und einen Erste-Hilfe-Kurs für Kinder vom DRK.

Die Arbeitsagentur ist bereit für den Ansturm der Arbeitssuchenden.

Bei manchen SchülerInnen, insbesondere den jüngere, konnten leichte Orientierungsschwierigkeiten beobachtet werden.

Einzelne Stadträte zeigten die Bank an, weil sie Geld nicht auszahlte (weil die Projektleitung noch nicht gemeldet hatte, wer alles im Stadtrat automatisch 42 Welz pro Tag erhält). Die Bank wiederum zeigt die Stadträte wegen übler Nachrede an. Der Bürgermeister gibt Blankositzungsprotokolle zum Ausfüllen an Betriebsleiter aus – Zeit für ein erneutes Durcharbeiten der Verfassung mit den politischen AmtsträgerInnen Uhlmaniens. Alle Dokumente sind hier zu finden.

Eine Journalistin der Schwäbischen Zeitung war da und hat einen schönen Artikel geschrieben.

Die meisten Lehrkräfte befanden sich am Mittag des ersten Tages erkennbar außerhalb der Komfortzone. Ein Acht-Stunden-Tag tuschur mit jahrgangsgemischten wechselnden Gruppen ist nicht der Normalzustand für LehrerInnen.

So veröffentlicht der Stadtrat seine Beschlüsse.

In der Reflektion nach dem ersten Tag richtete die Gruppe eine Kontrollfunktion ein. So müssen die SchülerInnen mit der Arbeitskarte, auf der sie sich ihre geleistete Arbeit quittieren lassen (als Backup, falls in der Bank was schief geht), mittags belegen, dass sie gearbeitet haben.

2 Tag

Emotionale Debatten wurden auf den Gängen geführt. Hauptsächlich ging es darum, dass die Tätigkeit in der Schulstadt erkennbar über das Deputat hinausgehe. Daraus folgerte die Feststellung, dass es eine bestehende Ungerechtigkeit gebe, da Lehrkräfte keine virtuelle Währung („Welz“) für ihre Tätigkeit als BetriebsleiterInnen erhalten. Mein Nein sorgte nicht für Begeisterung.

Mögliche Hochsteckfrisuren im Beauty-Shop.

Tagsüber begannen die PolizistInnen selbstständig einen Strafenkatalog zu entwerfen und Ordnungsgelder für bestimmte nicht erwünschte Verhaltensweise zu bestimmen. Korrupte Polizisten steckten dann die eingezogenen Ordnungsgelder(über 130 Welz) in die eigene Tasche. Sie flogen auf, weil sie es nicht lassen konnten mit ihrem Reichtum zu prahlen.

Es war am zweiten Tag viel Geld im Umlauf, daher ging das Essen gegen 13.00 Uhr aus. Erkenntnis daraus war, dass das Catering erst um 11.00 Uhr öffnet.

Den Stadtrat erreichte ein Bürgerbegehren, welches zum Ziel hatte für alle BürgerInnen 9 Welz Lohn zu bestimmen. Aktuell galt 9 Welz für städtische Betriebe (Arbeitsagentur, Bank, Entsorgungsbetriebe..) und 6 Welz in der freien Wirtschaft. Ganz Politiker sagte ein Stadtrat: “Wir entscheiden ja, dann haben wir weniger Arbeit”, aber aufgrund eines vorhergegangenen Beschlusses des Stadtrat lehnte der Rat das Bürgerbegehren ab. Sie hatten in einer Sitzung zuvor der Bank 12 Welz Stundenlohn gegehmigt. Ein Ja würde ein downgrading der Bank bedeuten. Somit wurde der Weg frei für einen Bürgerentscheid am nächsten Morgen. Gleicher Lohn für alle!

Auszählung des Bürgerentscheid.

SchülerInnen stellten heute die ersten positiv beschiedenen Anträge auf Selbstständigkeit beim Stadtrat: unter Anderem ein Kino und eine Massagefirma. Ein weiteres Kino wurde vom Stadtrat abgelehnt, 

Ein Schüler, der einen Getränkestand betrieb, konnte aufgrund des frühen Ausverkauf der städtischen Betriebe seine Preise dem Markt anpassen und erzielte astronomische Gewinne wie ein Getränkehändler, der mir einst vor dem Circus Maximus bei gefühlten 40° für eine kleine Coladose 5 € abnahm.

In der Reflektion wurde beschlossen, dass es mehr Essen geben muss. Die Geburtsstunde der Wurstbraterei der Jungs aus der 8. Klasse mit ihrem Klassenlehrer.

Die Kontrolle der Anwesenheit durch LK soll aufgrund eines gewissen Schwundes zusätzlich auch vor Ende des Tages erfolgen.

Die Reflexion hat gezeigt, dass unter Umständen die Stadtgesellschaft zu wenig von den politischen Prozessen mitbekommen hat. Eine mögliche Lösung wären öffentliche Stadtratsitzungen.

3 Tag

Um 7:20 Uhr konnte ich den Aufbau eines Selbstständigen morgens  beobachten. Er hat einen Getränkestand und möchte sich schon vor dem Ankommen der BürgerInnen fertig machen.

Nach der Ablehnung des Bürgerbegehrens findet von 8.30 – 9.30 Uhr der Bürgerentscheid, 9 Welz für alle, statt. Mitglieder des Stadtrat geben gegen die Vorlage des BürgerInnen-Ausweis einen Wahlzettel raus. In Wahlkabinen wird gewählt und um 9.45 Uhr im Stadtrat ausgezählt. Die Bürgerschaft stimmt mit einer deutlichen Mehrheit für gleichen Lohn für alle. Anschließend beschließt der Stadtrat Bonuszahlungen an Bankmitarbeiter in Anwesenheit des besuchenden MdB Gerster. Die Bank sei sei so wichtig, dass müsse man honorieren.

Im Gespräch mit MdB Gerster (SPD)

Der Stadtrat muss einen Plan fürs Stadtfest in vier Tagen abgeben. Hierfür benötigen sie etwas Unterstützung.

4 Tag

(Montag zweite Woche)

„Wie, sie gehen?“ Erstaunte Frage einer recht delinquenten Siebtklässlerin, drin in der Fahrschule, wo die jungen Schülerinnen und Schüler in Kooperation den Mofaführerschein machen können. Zutrauen ist der beste Weg in der Pädagogik.

Morgens erfolgt die erste öffentliche Gerichtsverhandlung unter Hilfe des Sozialarbeiters aus dem Jugendhaus. Ein Bürger erhält als Strafe 40 Welz wegen Bedrohung.

KuK sammelten Spenden für die Lehrkräfte, weil die LehrerInnen als BetriebsleiterInnen keinen virtuellen Lohn erhielten.

Der MdB Rief besucht die Schulstadt und betont im Gespräch mit mir, dass es nicht selbstverständlich sei für Lehrkräfte ein solches Projekt zu stemmen. Ich soll ruhig in die Politik einsteigen und zur Union kommen.

Im Gespräch mit MdB Rief (CDU)

Es entwickeln sich weitere selbständige Betriebe: Brezeln und Laugenstangen-Bauchladen, ein Getränkestand, ein Programmkino mit Popcornverkauf und ein Wellnessladen.

Wichtig und richtig war der Beschluss Essen und Stände später, erst um 11.30 Uhr zu öffnen. So wurde sichergestellt, dass auch zur Mittagsbesuchszeit noch Essen vorhanden war.

Viele SuS laden Gäste ein um die Spielstadt zu zeigen.

Eines der am besten bewehrtesten Angebote: Grafitti an der Schulwand.

Ein Stadtrat tritt zurück. Er hat große zeitliche Konflikte durch seine Selbstständigkeit mit einem Gaming-Laden. Ein kleiner Skandal.

5 Tag

Die Vorbereitungen für das Stadtfest sind in vollem Gange. Es werden Bons vorbereitet, die mittags an die BürgerInnen ausgegeben werden. Die Vorlage könnt ihr hier von mir über den Kontakt erhalten.

Der Stadtrat hat eine Bühne mit Moderation geplant, auf der auch die Schulband auftritt, ein paar Reden gehalten werden und eine Talentshow stattfindet. Die Bühne, besonders die Talentshow, war ein Fest. Schülerinnen und Schüler feiern sich eben sehr gerne selbst.

Stadtfest Uhlmanien 2.0

Das unsere Währung Welz um 12.00 Uhr urplötzlich (geplant) ihre Gültigkeit verliert war eine Entscheidung der Projektleitung. Ziel war es zuvor aufzurufen 10.000 Welz an Spenden zu generieren um auf der Grundlage die oben erwähnten Bons auszugeben. Die 10.000 Welz kamen nicht zusammen, daher gab es sie dann ohne inhaltlichen Zusammenhang zur Spendensammlung. Dies wurde im Nachfeld kritisiert, da viele BürgerInnen auf das Stadtfest hin gespart haben.

Die Bühne endete mit einer Verlosung von Aufräumaufgaben für die einzelnen Klassen, ein Joker war darunter. Dann gab es einen kleinen Abschluss in den Klassen.

Mein Resümee

Ein solches Projekt in einer Schule durchzuführen ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. In einem sehr hierarchisch geprägten System, in dem auch die beteiligten Lehrkräfte ein Machtgefälle gewöhnt sind, ist es für alle Beteiligten schwer die Augenhöhe zu akzeptieren und damit umzugehen. Im Rahmen dieses Projekt sind alle am Schulleben Beteiligten gleich, sie sind alle BürgerInnen. Das hat natürlich Konsequenzen für das Miteinander und den Umgang miteinander. Es gab BürgerInnen, Erwachsene wie Kinder und Jugendliche, für die war dies ein sehr spannendes Lernfeld. Im Rahmen des Spiel zeigt sich in den meisten Fällen sehr deutlich die Haltung und das Menschenbild eines jeden Einzelnen.

Ein solches Projekt ist mitnichten fehlerfrei. Auch das ist ein Lernprozess für alle Beteiligten in einem System, in dem im sonstigen Schuljahr keine oder nur sehr wenig Fehler nicht gemacht werden sollen. Gelebte Fehlerkultur ist eine Herausforderung an Alle. Fehler sind eine Chance und keine Niederlage.

Für den Wiederholungsfall, oder falls eine(r) der geneigten Lesenden selbst ein Projekt durchführen möchte, können einige strukturelle Dinge verbessert werden. Wer noch mehr wissen möchte, der kontaktiere mich sehr gerne hier. Es gibt dazu auch eine SchiLf (schulinterne Lehrerfortbildung) beim staatlichen Schulamt Biberach.

In einer online-Umfrage nach Beendigung der Schulstadt erhielt Uhlmanien bei der abschließenden 5-Sterne-Bewertung im Schnitt 4,31.

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