Mit einer beeindruckenden Regelmässigkeit erfolgt an Schulen im Mai, zeitgleich mit dem Auftreten von kurzen T-Shirts, kürzeren Hosen und manch tieferem Einblick, die Diskussion um die moralisch vertretbare Art und Weise sich zu kleiden. Angemessen dem Anlass und des Alters, sowohl auch des Geschlechts. Überwiegend Mädchen und junge Frauen stehen im Blick der Diskutierenden, ziehen diese sich doch die Diskussion provozierend, nicht richtig an. Ein paar Gedankend dazu.
Im Artikel 2 des Grundsgesetz (1) steht, dass jeder Mensch so leben darf, wie er möchte. Das impliziert auch Kleidung zu tragen, die einem gefällt. “Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit”. Dem gegenüber steht der Auftrag der Schule Kinder und Jugendliche aufs Leben und den Beruf vorzubereiten, dazu gehört auch eine Ahnung zu haben davon, wann welche Kleidung angemessen ist. Das Kultusministerium hat mal folgendes gesagt: „Die Schule ist nicht berechtigt, die eigene Moralvorstellung zum Gradmesser für eine korrekte Kleidung zu machen.“ (2)
Nun wird meist von jungen Frauen gefordert sich entsprechend der Meinung und Einstellung von erwachsenen Pädagog:innen anzuziehen und sie begründen dies oft damit, dass junge Männer und Lehrer sozusagen gezwungen seien “hinzusehen” und somit belästigt werden. Das zeigt sich auch in Sorgen von Männern:
Also ist die Forderung nach einer Kleidung, die verdeckt, was anscheinend zum Problem werden kann, erst einmal folgerichtig. Wo nichts vom weiblichen Körper zu sehen ist, da wird es kein Problem geben. Nur ist dies aber die sogenannte Täter-Opfer-Umkehr.
Tatsächlich kann man feststellen, dass mögliche Kleidungsvorschriften Mädchen und junge Frauen vor lüsternen Blicken und mehr Gefahren und Jungen und Männer vor “Ablenkung” schützen sollen.
Dazu passt “Don’t protect your daughter – Educate your son“, eine populärer Spruch, der nach der Ermordung der Britin Sarah Everard in London wieder über social media ins öffentliche Bewusstsein gelangte. Er meint, dass nicht das Opfer die Schuld trägt und hier die Ursachen zu suchen sind, sondern die Ursachen in der Erziehung und Sozialisation der Täter liegen. Folgt man der Argumentation, dann kommt man nicht umher über das Patriarchat und Frauenfeindlichkeit nachzudenken. Kate Manne, eine Philosophin, führt aus, dass “Frauen in ihrem Umgang mit der sozialen Welt vor allem dann mit feindseligen Reaktionen konfrontiert werden, wenn sie patriarchalische Normen infrage stellen. Kate Manne erklärt, dass sind Frauen diejenigen sind, die eine ganze Reihe von Ansprüchen zu erfüllen haben (Liebe, Charme, Fürsorge usw.) – Männer hingegen diejenigen, die den Anspruch darauf erheben. Frauen erhalten negative Reaktionen, wenn sie die Ansprüche nicht zu erfüllen bereit sind, oder wenn sie selbst etwas einfordern, das männlich codiert ist, z.B. Macht, Geld oder Entscheidungsbefugnisse. Nicht jeder, der sich frauenfeindlich verhält, möchte frauenfeindlich sein. ” (3)
Es gilt sehr dezidiert darüber nachzudenken, warum eine Schule Kleidungsvorschriften einführen möchte und was dahintersteckt. Sind wir Träger:innen von alten frauenfeindlichen Narrativen oder verhalten wir uns frauenfeindlich, obwohl wir es nicht möchten? Und wie setzen wir den schulgesetzlichen Auftrag der Erziehung um, der doch darauf abzielt junge Menschen auf ein gelingenden Leben in der Gesellschaft vorzubereiten? Was ich mir vorstelle?