Nur mit dem Herzen

Lesedauer ca. 2 Minuten

Da ist sie wieder, die Zeit der Sommerfeste, der Notenkonferenzen und der Lernentwicklungsberichte. Die Zeit, in der Lehrerinnen und Lehrer auf das Schuljahr zurückblicken. Es ist die Zeit des feedback und der Reflektion. Es wird viel geredet in den Lehrerzimmern.

Ich komme berufsbedingt in vielen Kollegien in verschiedenen Schulen herum und habe Kontakt zu KollegInnen in anderen Bundesländern. Erschreckend ist, dass ich nahezu überall mehr pädagogischen Pessimismus als pädagogischen Optimismus antreffe. In Lehrerzimmer geht es sehr selten um das Positive, die gute Leistung eines lernenden jungen Menschen. Ein Lieblingsthema sind die Verfehlungen und Vergehen junger Menschen im Schulbetrieb.

Nun mag man einwenden, dass der Lehrkörper systembedingt eher auf das Negative achtet, geht es doch sehr häufig noch um das, was jemand nicht kann und noch können sollte. Man mag einwenden, dass der Mensch so gestrickt ist und sich Negatives einfach wesentlich besser merken lässt als positiv, sozusagen der evolutionäre Selbstschutz.

Die Lehrerinnen und Lehrer sind (mit-)verantwortlich für die persönliche, schulische und berufliche Zukunft der ihr anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Es ist doch unsere Aufgabe die Schülerinnen und Schüler zu mündigen, kreativen und kritischen DemokratInnen zu erziehen. Um Himmels willen, warum schauen denn dann die meisten der Lehrerzunft nur auf das Negative? 

Und warum spricht man mehr über die einzelne Verfehlung eines Schülers, als über das gesamte restliche Jahr mit guten Leistungen und gutem Verhalten? 

Ich habe 10 Jahre lang in der Ulmer Weststadt mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen in der Straßensozialarbeit gearbeitet. Und wenn sich seitdem eine Erkenntnis in meinen Geist und mein Herz gebrannt hat, dann ist es die, das nur Liebe, Zuneigung und Respekt wirklich etwas bewirkt. 

Größer als alle Pyramiden, als der Himalaya,

als alle Wälder und Meere ist das menschliche Herz.

Es ist herrlicher als die Sonne und der Mond

und alle Sterne, strahlender und blühender.

Es ist unheimlich in seiner Liebe.

Heinrich Heine

Ich weiß schon, dass viele geneigten Leserinnen und Leser gleich wieder denken, ja und wo ist denn da die Konsequenz? Liebevolles Handeln schließt logische und gerechte Konsequenzen nicht aus. Sie sind aber nachrangig zu sehen. Ich kenne KollegInnen, die sind shining persona. Sie schaffen das, was ich mir für alle jungen Menschen wünsche, die in Bildungseinrichtungen den Großteil ihrer Lebenszeit verbringen. Sie nehmen sie an, wie sie sind und betrachten sie mit einer Art, die man als gütig und annehmend beschreiben kann. Sicher können sie streng und konsequent sein, das gehört dazu. Zuallererst aber sind sie shining persons und ein Gewinn für alle (hier habe ich mehr dazu geschrieben). 

Daher mein Aufruf an alle KollegInnen, die irgendwo auf der Welt in einer Bildungseinrichtung arbeiten und jetzt gerade wieder verstärkt über ihre SchülerInnen nachdenken und sie beurteilen und einschätzen müssen: schaut auf die positiven, stillen und unauffälligen Momente. Schaut durch das Getöse und die harten Schalen, erzeugt von einer schwierigen und zuweilen kalten Welt, in der viele Kinder und Jugendlichen leben.

Und bedenkt: die Kälte der Welt vermag nichts gegen die Wärme des Herzens. 

Bild unter pixabay license – Vielen Dank!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 3 = 6