Die Podiumsdiskussion der Stiftung Erinnerung am 14.02.2018 im Stadthaus in Ulm stellte sich der Frage wie die Gesellschaft dem erstarkenden Antisemitismus begegnen kann. Ich diskutierte mit auf dem Podium und trage meine Beiträge aus dem Podiumsgespräch hier im Blog zusammen.
Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und die Schule ist immer nur ein Spiegelbild der Gesellschaft, daher gibt es in der Schule meiner Meinung nach kein spezielles Problem mit Antisemitismus und Rassismus. Das sich in der Schule gesellschaftliche Strömungen zeigen wie die derzeitige Enttabuisierung bestimmter Wörter und Aussagen ist daher logisch, wenn man sich die gesellschaftliche Entwicklung ansieht. Kinder und Jugendliche bringen Meinungen und Einstellungen von zu Hause und aus ihrem sozialen Umfeld mit. Meinungen und Haltungen sind erlernt und aufgrund verschiedenster Einflüsse ausgebildet. Da ist Schule nicht als Reparaturbetrieb gefordert, dies kann sie auch gar nicht leisten.
Die Schule ist vielmehr gefordert als Impulsgeber, wir müssen den Schülerinnen und Schülern Erlebens- und Erfahrungsräume schaffen, in denen sie durch Begegnungen mit Räumen, Geschichte und Personen Erfahrungen machen können, die sie zum Denken anregen.
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in diesem Kontext darf nicht mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger stattfinden, vielmehr müssen wir als Pädagogen darauf achten angstfreie Lernsettings zu schaffen, in denen sich die Schülerinnen und Schüler trauen Fragen zu stellen und neugierig zu sein. Selbstverständlich benötigen wir in der Gesellschaft und natürlich in der Schule Leitplanken, bestimmte Regeln für das Zusammenleben, die eingehalten werden müssen. Wir benötigen bei Nichteinhaltung der Regeln Konsequenzen. In der Gesellschaft sei dies strafrechtliche Ahndung, in der Schule müssen wir dies in den Leitlinien und der Schulordnung festschreiben. Auch im schulischen Betrieb muss Fehlverhalten bestimmte Konsequenzen haben. Die Balance zu finden zwischen der gemeinsamen Untersuchung einer antisemitische Äußerung eines Schülers gemeinsam mit dem Pädagogen und der Konsequenz einer antisemitischen Äußerungen benötigt pädagogisches Fingerspitzengefühl. Es darf aber kein “Das wird man doch sagen dürfen” geben! Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit versuchen die Undemokraten die Enttabuisierung von Wörtern weiter voranzutreiben und mit Recht Unsägliches wieder öffentlich zu sagen.
Um gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenzutreten benötigt es ein ganzes Bündel an Maßnahmen und Aktionen. Zu Beginn ist es notwendig die Leitlinien und die Schulordnung mit der Schulgemeinschaft zu überarbeiten und sie umzusetzen. Es sollte auch darüber nachgedacht werden eine Werteordnung für die Schule zu erarbeiten.
Im Schulalltag benötigt es meiner Meinung nach viel mehr Projekte, die Erlebnisse und Erfahrungen generieren. Die Schülerinnen und Schüler müssen Möglichkeiten haben das vermeintlich Unbekannte und Fremde persönlich kennenzulernen. Das Fremde ist nur fremd, solange man es nicht kennt, so ist ein Projekt aus der Grundschule überschrieben.
Ich habe schon von Schulen gelesen, die an jedem Freitag des Schuljahres projekthaft arbeiten – das wäre nur eine Idee, wie man beispielsweise Begegnungsprojekte zeitlich und umgänglich gelingend ermöglichen könnte. Ich höre schon die Einwände, dass hierfür im gesamten Schuljahr keine Zeit wäre, wo soll man denn sonst den ganzen Stoff unterbringen. Aber daran darf es nicht scheitern.
Die Erziehung zum kritischen Demokraten ist wichtiger als die Kenntnis um die Sinuskurve. Die Mathelehrer mögen mir verzeihen. Nach der Veranstaltung der Stiftung Erinnerung im Ulmer Stadthaus sprach mich ein Mathelehrer an, der mir sagte, dass er diese Aussage gut verstehen könne. Er sei aber auch der Meinung, dass die Kenntnis von mathematischer Logik eine demokratische und menschliche Haltung sehr unterstützt. Ja, man könne als Mathematiker gar kein Antidemokrat sein. Dies wäre schlicht unlogisch.
Vielleicht wird die Digitalisierung kn der Bildung dazu führen, dass sich der klassische Fächerkanon auflöst. Das würde sehr projektbezogenes Lernen ermöglichen und somit die Möglichkeit bieten den Schülerinnen und Schülern mehr social und soft skills mitzugeben, als es heute der Fall ist.
Was aber kann nun konkret schon heute getan werden?
In der Schule brauchen wir eine pädagogische Beziehung zwischen Lehrern und Schülern, die ermöglicht über etwas zu sprechen. Dafür fällt aber vielleicht auch einmal das Wissen darüber weg was eine Untermoräne ist und wie sie sich bildet. Ich sehe die Diskussion in den Lehrerkollegien schon vor mir, welche Inhalte für diesen wichtigen Ansatz weggelassen werden könnten. Eigentlich keine. Ich weiß, dass jeder Lehrer seine Inhalte für unersetzbar hält. Da muss ein Umdenken stattfinden.
Zugleich müssen die pädagogischen Fachkräfte professionell an sich und an der Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern arbeiten. Das Ziel muss sein eine Metaebene in der Kommunikation zwischen den Akteuren im Schulleben zu ermöglichen, auf der über Äußerungen und Worte gesprochen werden kann ohne das Gesicht zu verlieren oder Angst vor (unberechtigten) Sanktionen haben zu müssen.
Alle Schulen sollten Mitglied im Netzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage mit dem damit einhergehenden Verpflichtungen sein.
Die Partizipation von Schülerinnen und Schülern sollte zwingend über die Stellvertreterfunktion der SMV hinausgehen. Schülerinnen und Schüler müssen sich als selbstwirksam erleben, das ist ein elementarer Baustein hin zum kritischen Demokraten. Damit meine ich konkret beispielsweise Schulversammlungen, an denen alle am Schulleben Beteiligten bei Entscheidungen miteinbezogen werden.
Gedenkstättenarbeit und Projekte, die Erfahrungen, Erlebnisse und Begegnungen zum Inhalt haben müssen gesetzt und regelmäßiger Unterrichtsinhalt sein.
Ich bin pädagogischer Optimist.
Die langjährige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat mir immer wieder gezeigt, dass die Begegnung mit außerschulischen Lernorten wie dem KZ in Ulm etwas mit den Schülerinnen und Schülern macht. Sie erkennen die Unmenschlichkeit wenn Sie sie sehen. Sie beginnen mitzufühlen.
Zugleich habe ich die Erfahrung gemacht, dass gemeinsame Überlegungen über die Zukunft, in was für einer Welt wir eigentlich leben wollen und was wirklich wichtig ist immer in die gleiche Richtung gehen.
Menschlichkeit steckt an.
Und dann müssen wir unseren Überlegungen “nur” noch Taten folgen lassen. Und da sind wir wieder alle gefordert. Denn einfach ist das nicht.
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Hier ist der kurze Bericht in der Südwest Presse zu finden.
Antisemitismus
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